Als ich gefragt wurde, ob ich die Elisabethenfrauen der Liebfrauenkirche für den Blog interviewe, hab ich gerne zugesagt. Zum einen natürlich wegen des Namens! Zum anderen hatte ich schon im anderen Zusammenhang über den Elisabethenverein, den es in Deutschland schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab, gelesen.
Mich interessierte, was die Frauen heute in Cannstatt machen.
Viele Elisabethenvereine wurden in Deutschland nach 1848 gegründet
Aber zunächst mal ein Blick in die Geschichte:
Elisabethenvereine wurden nach den Revolutionsjahren um1848 überall in den katholischen Gemeinden in Deutschland gegründet, auch in Stuttgart. Die Frauen nahmen sich die Heilige Elisabeth von Thüringen zum Vorbild, die den Armen Nahrung gab. Diese Heilige war in Deutschland sehr beliebt und so wurde auch in der Liebfrauengemeinde zu ihrem 700. Todestag im Jahr 1931 bei einer großen Feier an sie erinnert.
Gründung des Elisabethenvereins in Cannstatt 1928
In Cannstatt wurde der Elisabethenverein 1928 gegründet – parallel zum Vinzenzverein für die Männer.
Sie wollten die Not der Menschen in ihrer Gemeinde lindern und bemühten sich „…etwas Wärme, Liebe, Sonne und Freude in die Stuben unserer Armen und Kranken zu bringen.“ So hieß es im jährlichen Bericht in den Kirchlichen Mitteilungen von 1930.
In diesem Jahr unterstützte der Verein 35 Einzelpersonen und 60 Familien. Die Unterstützung bestand teilweise aus Geldspenden, meist aber aus Lebensmitteln und Kohlen. In der Nachkriegszeit kam dann noch Bettwäsche, Kleidung und Hausrat für Ausgebombte und Flüchtlinge dazu. Ganz wichtig war auch jedes Jahr die Unterstützung der Familien der Erstkommunionkinder, damit auch sie ihre Kinder entsprechend ausstatten konnten.
Es bestand die Möglichkeit, ein nur förderndes oder aber ein aktives Mitglied zu werden. Über die Mitgliedsbeiträge und zusätzliche Sammlungen wurden die Unterstützungen für die bedürftigen Menschen finanziert.
Spenden an Bedürftige
Die Einnahmen betrugen im Jahr 1949 4.500 DM. Davon zahlte die Gruppe 2.800 DM in bar an bedürftige Personen/Familien. Für 1.300 DM wurden Lebensmittel eingekauft, die dann von den Elisabethenfrauen übergeben wurden. 400 DM erhielten die Familien der Kommunionkinder als Unterstützung.
Es ging aber nicht nur um die finanzielle oder materielle Unterstützung. Ganz wichtig waren die Besuche der Elisabethenfrauen, um die Spenden persönlich zu übergeben. Es ging auch darum, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, sie bei Problemen zu beraten.
Laut Bericht der Diözese bestand die Hauptaufgabe der Elisabethenkonferenzen, wie die Gruppen auch genannt wurden, bei Hausbesuchen „… wachen Auges die Not aufzuspüren und in diskreter Weise zu lindern.“
Es war immer schrwierig neue Frauen für die Gruppe zu finden
Die Zahl der aktiven Elisabethenfrauen nahm allerdings immer mehr ab. Immer wieder berichteten sie, wie schwierig es sei, junge Frauen für ihre Gruppe zu gewinnen. 1950 waren es noch 17 Frauen, 1970 waren es nur noch 11 Frauen, die sich einmal im Monat trafen und die Aufgaben unter sich verteilten. Allerdings konnten für einzelne Aufgaben immer wieder zusätzliche Helferinnen gewonnen werden.
Vorsitzende der Elisabethenfrauen war 1950 Käthe Weller und 1970 Waltraude Schieker.
Die Aufgaben der Elisabethenfrauen veränderten sich im Laufe der Jahre
Die Elisabethenfrauen, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr als Verein sondern als Gruppe bezeichnen, übernahmen nun weitere Aufgaben. So beteiligten sie sich beispielsweise an der Bahnhofsmission und an der Schulspeisung. Sie kümmerten sich um die neu hinzugezogenen Familien, insbesondere auch um Flüchtlinge und Heimatvertriebene, und ab den 1960er Jahren auch um die sogenannten „Gastarbeiter“. Eine wichtige Aufgabe bestand in der Vermittlung von Wohnungen.
Ein weiteres Aufgabengebiet der Elisabethenfrauen waren die Pakete, die sie in die DDR schickten. Sie hatten Patenschaften zu zwei Elisabethengruppen in der DDR.
So entwickelte sich der Aufgabenbereich der Elisabethenfrauen immer weiter. Er passte sich der sozialen und politischen Situation an. Lag ihr Aufgabenbereich zunächst in der Sorge für die Bedürftigen, so ging es nun vermehrt auch um die Integration der neu Hinzugezogenen in der Gemeinde.
Die Sorge um die älteren Menschen wird immer wichtiger
Die Sorge um die alten Menschen nahm dann in den folgenden Jahren einen immer größeren Raum ein. Hier in der Großstadt lebten immer mehr ältere Menschen alleine, sie wurden nicht von ihren Familien versorgt. Hier ging es um finanzielle Unterstützung, aber auch um Botengänge, um Ansprache, um Vermittlung von Hilfe.
Ab 1951 gab es auch einen Altenkaffee für über 70-jährige, zu dem die Elisabethenfrauen persönlich einluden. Sie organisierten, backten Kuchen, kochten Kaffee und bemühten sich um Kontakt zu den älteren Menschen. Zu diesem Altenkaffee kamen laut Bericht von 1968 bis zu 90 Personen.
In besagtem Bericht wird auch erstmals erwähnt, dass die älteren „Geburtstagskinder“ von den Elisabethenfrauen besucht wurden. Für diese Besuche konnten auch weitere Gemeindemitglieder, wie etwa Nachbarinnen, gewonnen werden.
Damit begannen also die Elisabethenfrauen in dem Bereich tätig zu werden, der in den letzten Jahren ihren Schwerpunkt bildete: die Geburtstagsbesuche bei älteren Frauen.
Heute machen etwa zehn Frauen bei den Elisabethenfrauen mit
Die Gruppe der Elisabethenfrauen von Liebfrauen, die heute zu den Caritaskonferenzen Deutschland gehören, umfasst aktuell etwa zehn Frauen, die sich regelmäßig im Gemeindesaal treffen. Zu solch einem Treffen im Juni war ich eingeladen. Es gab Kaffee und Kuchen, den eine der Frauen anlässlich ihres Geburtstags gebacken hatte.
Zunächst wurden die Briefumschläge mit den Geburtstagsgrüßen und den Willkommensbriefen verteilt: Manche groß, manche eher klein. In den großen steckt eine Ausgabe des Gemeindeblatts katholisch konkret.
Schwerpunkt waren die Geburtstagsbesuche bei älteren Frauen
Die etwa zehn Frauen, die bei den Elisabethenfrauen aktiv mitmachen, haben sich das gesamte Gemeindegebiet von Liebfrauen aufgeteilt und besuchten bis zum Zusammenschluss der Gesamtkirchengemeinde 2017 die älteren Menschen an ihren Geburtstagen: zum 75. Geburtstag das erste Mal und ab dem 80. Geburtstag dann jedes Jahr. Früher brachten sie ihnen dann auch immer ein kleines Geschenk mit.
Richarda erzählt: „Da haben sich manche richtig gefreut, wenn man zu Besuch kam.“
Auch Magdalena bestätigt: „Wenn man jedes Jahr wieder kommt, dann warten sie schon drauf.“
Edith meldete sich, wo es möglich war, telefonisch an. „Und wenn ich dann kam, dann stand der Kaffee schon auf dem Tisch.“
Wenn sie keine Telefonnummer von den Frauen hatten, dann sind sie oft mehrmals hingegangen um die Frauen zu erreichen. Richarda berichtet, dass sie es meistens vormittags versucht hat, weil die Frauen manchmal nachmittags Besuch zum Kaffee hatten. Aber vormittags kamen dafür die Telefonanrufe.
Aber Elisabeth meint auch, dass lange nicht alle Jubilarinnen sich über einen Besuch freuten: „Das sind eigentlich ganz wenige. Die kannst du an zwei Händen abzählen. Aber da lohnte sich jeder Besuch.“
Und Magdalena erzählt: „Es hat schon Leute gegeben, die gesagt haben: ‚Stellen sie das vor die Tür oder in den Flur.‘“
Waltraud hat sehr unterschiedliches bei den Besuchen erlebt: „Es gab Leute, da hat man das Geschenk an der Haustüre abgegeben, die haben sich bedankt und die Tür wieder zugemacht. Und dann gab es natürlich auch Leute, die einen reingebeten haben, man hat was geredet. Sie haben einem vielleicht was zu trinken angeboten. Und gelegentlich gab es auch mal Kaffee und Kuchen. Aber das war seltener der Fall.“
Seit dem Zusammenschluss zur Gesamtkirchengemeinde und nach Corona gibt es offiziell keine Geburtstagsbesuche mehr
Seit der Gründung der Gesamtkirchengemeinde 2017 wurde die Besuchspraxis in den Gemeinden angeglichen. Und seit der Corona-Pandemie werden offiziell gar keine Geburtstagsbesuche mehr gemacht und fast keine Geschenke mehr überreicht. Jetzt gibt es nur noch Geburtstagsbriefe und zu den runden Geburtstagen eine Tafel Schokolade.
Magda, die damals Gewählte Vorsitzende des Kirchengemeinderats war, hatte sich dagegen ausgesprochen: „Ich befürchtete schon damals, dass hier in Liebfrauen die Älteren wirklich vergrätzt sind, weil es auf einmal nichts mehr zum Geburtstag gibt.“
Nun werden nur noch die Geburtstagsbriefe – manchmal zusammen mit einer Tafel Schokolade – in den Briefkasten geworfen.
Richarda meint: „Man sagt, wir machen die Elisabeth-Besuche. Aber seit Corona machen wir die Post, wir sind die Postler.“
Jetzt wissen die Frauen nicht, wie es weitergehen soll. Ihre Gebiete sind zu groß, sodass sie nicht alle besuchen können. Zudem finden sie es auch unangenehm, bei den Jubilarinnen zu klingeln, wenn sie einfach nur einen Brief von der Gemeinde überreichen und kein Geschenk mehr. Die Tafel Schokolade zu den runden Geburtstagen wird vielfach nicht anerkannt.
Elisabeth macht trotzdem noch Besuche bei Frauen, die sie kennt: „Da geh ich dann auch hin und bring ihnen auch von mir aus ein paar Blumen.“ Aber Magda meint, dass das nicht in Ordnung ist, wenn die Elisabethen-Frauen die Geschenke jetzt selber zahlen.
Zusätzliche Willkommensbriefe für neue Gemeindemitglieder
Seit einiger Zeit haben die Frauen noch zusätzliche Aufgaben in ihren Gebieten übernommen. Neu hinzugezogene Gemeindemitglieder erhalten einen Willkommensbrief mit älteren Exemplaren vom Gemeindeblatt katholisch konkret, um zu zeigen, was so in der Gemeinde los ist. Das Gleiche gilt für diejenigen, die ihren 25-jährigen Geburtstag feiern. Gerade die Willkommensbriefe machen mittlerweile den Großteil der Briefe aus. Denn gerade in den vielen Wohngemeinschaften ziehen immer wieder neue junge Leute ein. Edith erzählt: „Ich hab den Veielbrunnen und da gibt es nur Wohngemeinschaften. Da sind teilweise 37 einzelne Zimmer unter einer Adresse. Da muss ich ständig einen Willkommensbrief reinschmeißen. Und in den Containern an der Hans-Martin-Schleyer-Halle, in denen die Flüchtlinge leben, da gibt’s überhaupt keinen Briefkasten.“
Es ist sehr viel Arbeit für die Frauen und sie wissen noch nicht einmal, ob es irgendeinen Sinn macht. „Man hat keinerlei Rückmeldung, ob sich da irgendwann mal einer bei der Gemeinde gemeldet hat aufgrund dieser Willkommensbriefe“, meint Waltraud.
Die Idee dahinter war das sogenannte Wohnsitz-Apostolat. Das heißt, dass man sich in seinem Wohngebiet um die Gemeindemitglieder kümmert, sie willkommen heißt, sie zu runden Geburtstagen besucht, nach Menschen schaut, die vielleicht krank sind. Aber bis jetzt sind die Bereiche, für die die Frauen zuständig sind, viel zu groß. „Von dem eigentlichen Sinn, der auch für die Elisabethenfrauen passen würde, nämlich füreinander zu sorgen, nacheinander zu gucken, ist eigentlich nichts mehr zu spüren“, meint Magda.
Ideen, wie es weitergehen kann
Die Frauen haben Ideen, was man ändern könnte, wie man es besser machen könnte.
- Mehr Frauen anwerben, sodass die Gebiete kleiner sind.
- Die Willkommensbriefe mit der Post verschicken. Ohne das Gemeindeblatt wäre das per Post billiger.
- Nur die Frauen besuchen, die auch einen Bezug zur Kirchengemeinde haben. Aber wer gehört dazu?
Vielleicht könnten alle Frauen zum 75. Geburtstag einen Brief bekommen, in dem Besuche angekündigt werden, falls dies gewünscht wird? - In die Geburtstagbriefe Flyer der Chöre, für Konzerte und die Termine von den Seniorennachmittagen legen.
Auf meine Frage, ob sie gerne wieder die Geburtstagsbesuche machen würden, herrscht zunächst Schweigen. Dann kristallisiert sich heraus, dass sie gerne bei den Frauen Besuche machen, die sie kennen. So meint Waltraud: „Wenn man keinen Bezug hat, dann finde ich es ein bisschen schwierig zu klingeln und zu sagen: ‚Ich bin von der Kirchengemeinde und will Ihnen zum Geburtstag gratulieren.‘“
Aber Magda erzählt von einer sehr schönen Begegnung: „Ich hab mal eine Nachbarin besucht. Da haben wir das erste Mal miteinander geschwätzt. Sie hatte immer katholisch konkret gelesen und wusste, wer ich war. Das Gespräch war für mich total beglückend.“
Zum Schluss betont Magda nochmals, dass die Frauen im Verein sehr viel Spaß miteinander haben. Das merkt man auch bei Kaffee und Kuchen, dass sie sich gut verstehen. Aber eben auch, dass sie zurzeit frustriert sind in ihrem Engagement bei den Elisabethenfrauen.
Elisabeth Skrzypek
Bildnachweise
- Elisabeth pflegt Kranke. Fenster in der Elisabethkirche in Marburg
Von Heinrich Stürzl, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=108110359 - Übrige Bilder sind privat