Frauen auf dem Fahrrad

Ich fahre gerne Fahrrad. Seitdem ich ein E-Bike habe. Zunächst habe ich die nähere Umgebung erkundet und dann die Freude an größeren Radtouren entdeckt.

Erste Erfahrungen an der Elbe

Zwischen Prag und Dresden

Eine Freundin hatte mich gefragt, ob ich sie auf einer Tour von Prag nach Dresden begleite, entlang von Moldau und Elbe. Eine Organisation hatte die Räder zur Verfügung gestellt, die Tourenpläne ausgearbeitet. Die Übernachtungen waren gebucht und das Gepäck wurde transportiert. Obwohl alles so gut organisiert war, war es für mich ein erstes Abenteuer. Würde ich die Strecke schaffen, würde ich den Weg finden, würde ich mit dem fremden Fahrrad zurechtkommen?

Es hat alles geklappt und seitdem fahre ich regelmäßig Touren: Tagestouren, Mehr-Tages-Touren. Mittlerweile alle mit dem eigenen Rad und selber geplant und mein Gepäck passt in zwei Satteltaschen. Mal fahr ich mit einer Freundin, mal ganz alleine. Es ist immer herrlich.

Unterwegs

Was gefällt mir an diesen Fahrradtouren so sehr?

Nun, da ist zum einen natürlich die Freude an der Bewegung. Aber es kommt noch hinzu, dass ich neue schöne Gegenden kennenlerne, erkunde, erfahre. Es beginnt schon mit der Planung. Wo möchte ich gerne mal hin? Dann die Überlegung, wie viele Tage brauche ich für die Strecke, wie viele Kilometer schaffe ich (und mein Akku). Dann die Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten und die Frage: Wie komme ich an den Ausgangspunkt der Tour?

Dann geht’s los. Es ist schon herrlich, aus dem Zug zu steigen und dann die ersten Meter zu radeln. Endlich selber fahren. Sobald der Einstieg in die Tour gefunden ist, läuft es. Auch wenn mancher Berg steiler ist als gedacht. Auch wenn irgendwann die Beine müde werden. Auch wenn eine Umleitung mich zwingt, einen zusätzlichen Berg zu erklimmen. Ich genieße es durch die Welt zu radeln und meine zweite Heimat näher kennen zu lernen.

Als Historikerin interessiert mich natürlich, wie das mit den Frauen und dem Fahrrad in der Geschichte war. Hatten auch sie dies Gefühl der Freiheit, das ich auf meinen Touren spüre?

Frauen sind seit seiner Erfindung Fahrrad gefahren, wobei die deutschen Frauen deutlich zögerlicher waren als die Frauen in Frankreich, Belgien oder der Niederlande.

Frauen genossen auf dem Rad die Bewegungsfreiheit

Werbeplakat für Schmerzmittel
nach Stürzen 1897

Zwar gab es von Beginn an Widerstände gegen das Frauenfahrradfahren, aber viele selbstbewusste Frauen eroberten sich diesen Sport. Auf dem Fahrrad konnten sich die Frauen frei bewegen. Sie konnten sich körperlich betätigen und sie konnten das Land erkunden. So propagierte die niederländische Frauenbewegung 1895 das Radfahren als „Akt der Befreiung, mit dem die Frauen der Enge und erstickenden Atmosphäre der Stadt entfliehen und ihr Bedürfnis nach körperlicher Entwicklung stillen konnten“.

Die Röcke wurden gekürzt und das Korsett ausgezogen

Da es nur schwer möglich war, mit langen Röcken und Korsett Fahrrad zu fahren, wurden nun die Röcke gekürzt und das Korsett wurde fürs Radfahren abgelegt. Es wurden Hosenröcke und Pumphosen entwickelt, die den Frauen das Radfahren erleichterten. Wegen dieser „gewagten“ Kleidung und auch wegen der gespreizten Beine beim Radfahren wurden die Frauen auf den Rädern kritisch betrachtet. Frauen auf den Fahrrädern beflügelten die Phantasie der Männer. Ärzte befürchteten, dass Frauen durch das Radfahren krank oder sogar unfruchtbar werden könnten.

1897 Radfahrerinnen im Bois de Bologne

Dennoch waren einige Frauen so mutig und erkundeten mit dem Rad die Welt. Und einige von ihnen wurden zu Vorreiterinnen der Frauenbewegung.

1896 meinte die amerikanische Frauenrechtlerin Susan B. Anthony in einem Zeitungsinterview mit der New York World über das Fahrrad: „Ich denke, es hat mehr für die Emanzipation der Frau getan als irgendetwas anderes auf der Welt. Ich stehe da und freue mich jedes Mal, wenn ich eine Frau auf einem Fahrrad sehe. Es gibt Frauen ein Gefühl von Freiheit und Selbstvertrauen.“

Zunächst war das Fahrradfahren nur für Frauen aus bürgerlichen Kreisen erschwinglich, nach der Jahrhundertwende wurde das Rad aber deutlich billiger Dienstmädchen und Arbeiterinnen nutzten das Rad vermehrt als praktisches Verkehrsmittel. 1911 kostete ein preiswertes Fahrrad rund 27 Mark, was in etwa dem durchschnittlichen Wochenlohn eines Arbeiters entsprach.

Werbung mit Frauen auf dem Rad

Hersteller von Fahrrädern warben sehr gerne mit Frauen auf den Werbeplakaten. Dies sollte zeigen, wie einfach Fahrradfahren ist. Sogar Frauen können das!

Oft wurden auch Frauen als mythologische Gestalten neben den Fahrrädern abgebildet, vorzugsweise leicht bekleidet oder ganz nackt.

Werbeplakat für Fahrräder von etwa 1895

Frauenradrennen zunächst als Show

1868 Rennen in Bordeaux

Frauen nahmen auch schon sehr früh an Radrennen teil. Schon in den 1860er Jahren gab es in Frankreich extra Frauenradrennen. Die teilnehmenden Frauen waren aber oft Schauspielerinnen oder Akrobatinnen, die unter einem Künstlernamen auftraten, da das Fahren als anrüchig galt. Es war eher eine Show, die sich die Männer gerne anschauten, um hinterher kundzutun, dass dieser Sport aber nichts für anständige Frauen sei.

1898 Werbeplakat für Opel Fahrräder

Verbot von Frauenradrennen in Deutschland bis 1967!

1893 wurde das erste offizielle Rennen für Frauen in Berlin ausgetragen. Hier nahmen auch Frauen aus dem Bürgertum teil. Amalie Rother, eine der acht Starterinnen, schrieb später: „Wir alten Berliner Rennfahrerinnen wussten ganz genau, was wir taten, als wir 1893 auf die Bahn hinaustraten. Wir wollten weder unsere Reize den Zuschauern präsentieren, für Mütter heranwachsender Töchter schon eine etwas schnurrige Zumutung, noch uns an den Preisen bereichern, sondern wir wollten dem Publikum zeigen, dass wir Herrinnen unserer Maschinen waren, und den Damen zurufen: Hier, seht her und macht es uns nach! Beides ist uns gelungen.“

Aber der Deutsche Radfahrer-Bund (DRB) verbot 1900 Frauenradrennen in Deutschland. Anständige Frauen sollten lieber Wanderfahrten machen (wenn sie sich überhaupt aufs Rad schwangen) anstatt Rennen zu fahren. Dies Verbot galt bis 1967!

Frauen fuhren Fahrrad trotz aller Hindernisse

Die erste deutsche Radfahrerin Choralist Schneider, die etwa ab 1883 bis ins hohe Alter Fahrrad fuhr, berichtete über die Anfeindungen, denen sie als Frau auf dem Rad Ende des 19. Jahrhunderts ausgesetzt war:

Choralist Schneider 1909

„Eine Frau auf dem Rade! Grinsend standen sie da in Stadt und Land, sahen mir nach, und höhnische Redensarten, gemeine Schimpfworte, wenn nicht Schlimmeres, trafen mein Ohr und ließen mich trotz meines Alters vor Scham erröten. Die Kinder hatten, von den Großen angestiftet, ganze Batterien von Schmutzlumpen aufgehäuft, um mich damit möglichst gründlich bombardieren zu können.

Und meine Verwandten sagten mir Fehde an, wenn ich das Radeln nicht ließe. Ich verzichtete auf den Verkehr mit ihnen und blieb meinem Rade treu.“

So ist es zum Glück heute nicht mehr, wenn man als Frau mit dem Fahrrad unterwegs ist. Aber interessant ist es schon manchmal, wenn radelnde Herren einem ungefragt Tipps geben: wie so ein E-Bike zu fahren sei, wie man (!) am besten zum Ziel kommt, obwohl frau (!) ein Navi am Fahrrad hat. Oder die Frage, ob ich keine Angst habe, als Frau alleine Fahrrad zu fahren?

Ich plane weitere Touren

Aber auch ich lass mich nicht abhalten. Dank moderner Technik finde ich immer meinen Weg, auch wenn ich ab und zu mal einen Umweg fahren muss. Und nein, ich habe keine Angst. Denn ich weiß, die meisten Probleme lassen sich lösen. Einen Platten hatte ich schon, seitdem fahre ich mit „unkaputtbaren“ Reifen. Und im Notfall gibt es überall auf den gängigen Strecken Werkstätten. Wenn ich alleine mit meinem Rad und Gepäck vor dem defekten Aufzug stehe, gibt es manchmal Menschen, die mir mit der Treppe helfen. Oder ich fahre zum nächsten Bahnhof mit einem funktionierenden Aufzug.

Und so plane ich weitere Touren. Jetzt im Herbst nur noch kleinere – es kann empfindlich kalt werden auf dem Rad. Die mehrtägigen Touren habe ich aufs nächste Jahr verschoben. Vielleicht in den Schwarzwald, mal an der Donau entlang oder von Stuttgart an den Bodensee? Oder vielleicht sogar mal am Rhein entlang in meine (erste) Heimat am Niederrhein …?

Elisabeth Skrzypek

Literatur

  • Petra Durst-Benning: Solange die Welt noch schläft, 2012 (Roman)
  • Dörte Bleckmann: Wehe wenn sie losgelassen. Über die Anfänge des Frauenfahrradfahrens in Deutschland, 1998 (Landesbibliothek)

Links

Bildnachweise