Wer wohnte eigentlich in der Wildbader Straße 14?

Neben dem Kurpark soll ein großer Gebäudekomplex errichtet werden

Direkt am Kurpark, Ecke Wildbader Straße/Kreuznacher Straße, soll ein großer Gebäudekomplex mit 27 Wohnungen samt Tiefgarage gebaut werden. Dafür muss ein alter Garten aufgegeben und das Haus Wildbader Straße 14 abgerissen werden. Dagegen wehren sich die Bewohner des Kursaalviertels. Sie befürchten, dass solche großen Gebäudekomplexe auch an anderen Standorten im Kursaalviertel alte Häuser ersetzen werden.

Mich interessiert, wer früher in der Wildbader Straße 14 gewohnt hat. So hab ich mir mal wieder alte Karten und Adressbücher im Stadtarchiv angeschaut.

Der Garten ist 150 Jahre alt

Bereits auf der Karte von 1874 finde ich erstmals das Haus an diesem Platz. Schon damals hatte das Haus einen großen Garten, der die gesamte Ecke einnahm. In diesem Garten, in dem vor kurzem schon die alten Bäume abgeholzt wurden, habe ich auf allen folgenden Karten kein Haus gefunden. Der Garten ist also 150 Jahre alt.
Auf der anderen Seite grenzt das Haus an das Anna-Herrigel-Haus, das früher den Jacobi-Schwestern und dann dem Lehrerinnenverein gehörte.

Wer waren die Besitzer von Haus Nummer 14 in der heutigen Wildbader Straße, die bis 1937 Uhlandstraße hieß?

Zunächst gehörte es der Gutsbesitzers Witwe Ida von Mend und anschließend der Familie des Grafen von Üxküll-Gyllenband. Ein illustrer Name, der in der württembergischen Geschichte immer wieder auftaucht.

30 Jahre lang war das Haus im Besitz der Familie Üxküll-Gyllenband

Graf Eduard von Üxküll-Gyllenband war der Sohn von Kuno von Üxküll-Gyllenband, einem Königlichen Oberförster, der zusammen mit seiner Frau Fanny hier in Cannstatt in der heutigen König-Karl-Straße seinen Lebensabend verbrachte. Neben Eduard hatte er noch einen zweiten Sohn Alfred, der Bergwissenschaften studiert hatte und dann nach Brasilien gegangen war.
Eduard wohnte von Beginn an in der heutigen Wildbader Straße 14, zunächst allerdings in Miete. Ab 1891 wird er in den alten Adressbüchern als Besitzer genannt und ab 1900 wird Gräfin Emilie von Üxküll-Gyllenband, Ingenieurs Witwe, als Besitzerin genannt. Eduard, von Beruf offensichtlich Ingenieur, war 1899 mit 53 Jahren gestorben. Nun war das Haus im Besitz von Emilie.

Ab 1914 übernahm Friedrich von Üxküll-Gyllenband das Haus, höchstwahrscheinlich der Sohn. Er war Leutnant und später Major im Dragonerregiment des Königs und hatte vorher in der Badstraße 35, im früheren Hotel Herrmann, gewohnt. Da, wo heute das Rotkreuz-Krankenhaus steht. Ob es weitere Kinder gab, weiß ich nicht. Ob Friedrich selber Kinder hatte, weiß ich auch nicht.

Er verkaufte auf heden Fall das Haus in der Wildbader Straße 14 an Emil Bregenzer, der ab 1922 als Besitzer genannt wird.

Was mich nun aber zunächst sehr interessierte, das war der Name Üxküll-Gyllenband. Denn über diesen Namen bin ich immer wieder gestolpert. Ein altes Adelsgeschlecht aus dem Baltikum – einige Namensangehörige haben sich in Württemberg niedergelassen. Die Schreibweise variiert immer wieder, manchmal werden sie auch Uxkull-Gyllenband geschrieben.

Frauen aus der Familie der Üxküll-Gyllenbands

Ich möchte nun einige Frauen aus dieser Familie vorstellen.

Theobald Kerner

Zunächst einmal Marie-Luise von Üxküll-Gyllenband, die ebenfalls in Cannstatt gelebt hatte. Sie wurde 1811 in Stuttgart geboren, heiratete den Mediziner und Dichter Theobald Kerner und starb 1862 in Cannstatt.

Liebesheirat mit Theobald Kerner

Hinter diesen Daten verbirgt sich eine etwas skandalträchtige, aber auch romantische Geschichte. Theobald Kerner lernte Marie-Luise in der Praxis seines Vaters Justinus Kerner, ebenfalls Mediziner und Dichter, als Patientin kennen und lieben. Aber: Die sechs Jahre ältere Marie-Luise war bereits mit dem Rittmeister Ernst Albert von Hügel verheiratet. Sie trennte sich von diesem und fand zunächst Unterschlupf im Pfarrhaus bei Eduard Mörike. 1843 wurde die Ehe mit Hügel geschieden und Theobald Kerner heiratete gegen den Wunsch seines Vaters Marie-Luise, mit der er dann drei Kinder hatte. Theobald Kerner war aktiv an der Revolution 1848 beteiligt und musste deswegen auch auf dem Hohenasperg eine Haftstrafe absitzen. 1851 kehrte er zu seiner Familie zurück und arbeitete in Folge als Arzt. Zunächst gründete er in Stuttgart eine galvano-magnetische Heilanstalt, die er 1856 nach Cannstatt in die Badstraße gegenüber vom Hotel Herrmann verlegte. Nach dem Tod seiner Frau Marie-Luise übernahm er 1862 die Praxis seines Vaters in Weinsberg.

Die Palastdame Olga von Üxküll-Gyllenband

Am Hof des letzten württembergischen Königs Wilhelm II und seiner Frau Charlotte lebte die Palastdame Olga von Üxküll-Gyllenband (1852 – 1935). Diese heiratete nie, sondern übernahm 1878 die Erziehung der Kinder ihres Bruders Alfred Richard August, nachdem er und auch seine Frau schon früh gestorben waren.

Alexandrine war Oberin der Rotkreuzschwestern

Alexandrine, die zweitälteste Tochter von Alfred, war 1873 geboren und hatte sich als Krankenschwester bei den Olgaschwestern in Stuttgart ausbilden lassen. Nach weiterer Ausbildung unter anderem in Hamburg, Paris und München wurde sie Oberschwester in Wiesbaden und dann 1908 Oberin der Rotkreuz-Schwestern. Zusammen mit Elsa Brandström durfte sie während des Ersten Weltkriegs die deutschen Kriegsgefangenen in Russland besuchen. Dafür wurde sie 1920 mit der Florence-Nightingale-Medaille ausgezeichnet.

Caroline war die Mutter von Claus und Bernhard Stauffenberg
Ihre Schwester Caroline war ebenfalls Hofdame in Stuttgart und heiratete Alfred Schenk Graf zu Stauffenberg, der bis 1918 ebenfalls dem württembergischen König diente.
Ihre Söhne Claus und Berthold waren maßgeblich am Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt und wurden hingerichtet. An dem Attentat beteiligt war auch Nikolaus, der Bruder von Alexandrine und Caroline.

Gertrud Schwend-Üxküll

Gertrud Schwend-Üxküll, die Gründerin des ersten Mädchengymnasiums in Württemberg

Und dann gibt es noch Gertrud Schwend, geborene Üxküll-Gyllenband, die Gründerin des ersten Mädchengymnasiums in Württemberg, dem zweiten in ganz Deutschland. Das ist das heutige Hölderlingymnasium in Stuttgart. Sie wurde 1867 in Riga geboren, legte in Genf ihr Abitur ab und studierte an der dortigen Universität Philosophie, Geschichte und Literatur. Mit ihrem späteren Ehemann Friedrich Schwend übersiedelte sie nach Stuttgart, wo sie mit Hilfe ihrer weitläufigen Cousine Olga, der Palastdame, 1899 das Mädchengymnasium gründete. Sie wurde die Rektorin, ihr Mann wurde als Lehrer eingestellt. Aber schon zwei Jahre später starb sie und die Leitung der Schule übernahm Leontine Hagmaier. Das Grab von Gertrud Schwend befindet sich auf dem Pragfriedhof.

Also eine illustre Familie, aus der die Besitzer des Hauses Wildbader Straße 14 stammten.

Aber was passierte weiterhin mit dem Haus, nachdem es Emil Bregenzer Anfang der 1920er Jahre gekauft hatte?

Ab 1922 Firmensitz von Bregenzer

Es wurde der Sitz der Firma L. Bregenzer, die Berg- und Hüttenprodukte verkaufte. Sie hatten hier ihr Büro, am Cannstatter Güterbahnhof befand sich ihr Lager. Im ersten Stock hatte Emil Bregenzer auch seine Wohnung.
Da das Haus heute nicht aussieht, als wenn es aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammt, nehme ich an, dass es damals umgebaut worden ist. Vielleicht aufgestockt, vielleicht wurde die Hofeinfahrt überbaut?

Kutschereibetrieb im Hinterhaus

Im Hinterhaus, Nummer 14a, das Emil Bregenzer ebenfalls erwarb, gab es seit den 1890ern einen Kutschereibetrieb. Dieser wurde zunächst von Friedrich Schmidt betrieben und später von Paul Schmidt, der dann auch Autos vermietete.
Diese teilweise gewerbliche Nutzung der beiden Gebäude erklärt die große Hofeinfahrt des Hauses.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart gehörte das Haus der Familie Bregenzer und war auch weiterhin Sitz der Firma Bregenzer. Wahrscheinlich sind es deren Erben, die nun zusammen mit einem Investor die Neubebauung planen.

Elisabeth Skrzypek

Literatur

Uli Nagel: Anwohner fürchten um das Kursaalviertel, Stuttgarter Zeitung, 11.3.24, S. 21

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